Die Corona-Krise: Muss Insolvenz angemeldet werden?

Für wen gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?

Als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Insolvenzrechts und der Schuldnerberatung habe ich seit mehr als 20 Jahren mit Unternehmern und Unternehmerinnen zu tun, die sich in wirtschaftlicher Schieflage befinden. Oftmals bin ich damit beauftragt, mit den Gläubigern meiner Mandanten auf außergerichtlichem Wege über Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen eine Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen Krise herbeizuführen. Oftmals führt aber nichts an einem Insolvenzantrag vorbei. Das gilt umso mehr, wenn von Gesetzes wegen eine Insolvenzantragspflicht bspw. bei GmbHs oder GmbH & Co. KGs besteht. Einzelunternehmern trifft eine solche Pflicht ausdrücklich nicht.

Im Zuge der Corona-Krise sind die Bundesregierung und die Landesregierungen nun bemüht, die wirtschaftlich einschneidenden Folgen, die bspw. aus notwendigen Betriebs- und Geschäftsschließungen herrühren, durch Sofortmaßnahmen abzufedern und den Unternehmen Unterstützung zukommen zu lassen, sei es durch günstige Kredite, Steuerstundungen oder Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen.

Ungeachtet dessen besteht jedoch bei Unternehmensgesellschaften (GmbH, GmbH & Co. KG, AG) das bislang ungelöste Problem einer etwaigen Insolvenzantragspflicht nach § 15a Insolvenzordnung (InsO) und zwar dann, wenn Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Die Missachtung dieser Pflicht könnte für den Geschäftsführer einer solchen Gesellschaft erhebliche zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Nach Feststellung von Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit hat der Geschäftsführer maximal drei Wochen Zeit, diesen Zustand entweder zu beheben oder aber er muss einen Insolvenzantrag stellen.

Nun hat das Bundesministerium für Justiz am 16.03.2020 bereits angekündigt, dass die besagte Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO aufgrund der Corona-Krise vorübergehend ausgesetzt werden soll und zwar voraussichtlich bis zum 30.09.2020. Sinn und Zweck der Regelung soll sein, das Unternehmen, die wegen der Corona-Krise in eine wirtschaftliche Krise geraten sind, geschützt und in Ihrer Existenz nicht bedroht werden.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll aber nicht pauschal für sämtliche in Not geratene Unternehmen gelten. Vielmehr soll dies von gewissen Voraussetzungen abhängig sein und zwar:

  1. Der Insolvenzgrund (Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit) beruht auf den Folgen der Corona-Krise,
  2. Es bestehen aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- und/oder Sanierungsverhandlungen begründete Aussichten auf eine Sanierung.

Hintergrund der Aussetzung einer Insolvenzantragspflicht ist der Gedanke, dass die betroffenen Unternehmen nicht allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf Zuschüsse, Darlehen, Stundungen, u.a.m. in der jetzigen außergewöhnlichen Situation, die auch bei den entsprechenden Ämtern und Behörden vorherrscht, nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können.

Folgende Fragen/Probleme bleiben bzw. stellen sich neu:

1. Was ist mit Gläubigeranträgen?

Die Aussetzung einer Insolvenzantragspflicht gilt nur für den Geschäftsführer des in die Krise geratenen Unternehmens. Deren Gläubiger können – wie zuvor auch schon – weiterhin ungehindert einen Insolvenzantrag über das Vermögen des schuldnerischen Unternehmens stellen. Zwar werden Finanzämter und Sozialversicherungsträger (zumeist Krankenkassen) angehalten sein, in dieser Situation keinen Antrag zu stellen. Das würde die Hilfspakete des Staates sogleich konterkarieren. Privatrechtliche Gläubiger wie bspw. Lieferanten, Energieversorger, Banken und Vermieter bleiben aber in ihrer Entscheidung frei. Daher bleibt nur zu hoffen, dass diese sich der gebotenen Zurückhaltung anschließen. Ggfs. müssten selbige nochmals nachdrücklich auf die derzeitige Ausnahmesituation hingewiesen werden.

2. Was ist mit Unternehmen, denen es schon vor der Corona-Krise nicht gerade gut ging?

Gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen, die schon vor der Corona-Krise in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind? Was gilt, wenn sich das Unternehmen bereits in einem Sanierungsverfahren befand und die bislang bestehende positive Fortführungsprognose allein durch die Folgen der Corona-Krise zunichte gemacht wird?

Geschäftsführer einer GmbH, GmbH & Co. KG oder AG sind jetzt zumindest gehalten, klar zu ermitteln und nachweisbar festzuhalten, dass die oben genannten Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen. Das wird bei ohnehin schon notleidenden Unternehmen nicht immer ganz einfach sein, da es im Einzelfall bei der Abgrenzung schwierig wird, welche Ursachen nun konkret zur Zahlungsunfähigkeit geführt haben und welche (zusätzlichen) Ursachen ggfs. dafür irrelevant waren. 

Um hier zivilrechtlichen Ansprüchen auf Schadensersatz und erst recht einer strafrechtlichen Haftung wegen Insolvenzverschleppung rechtzeitig zu begegnen, kann ich nur dazu raten, sich hier rechtlicher Beratung zu bedienen, um hier keine Fehler zu machen, damit die verbleibenden Risiken minimiert werden können.

3.

Von gesetzgeberischer Seite wäre es eine weitere Hilfe für den verunsicherten Geschäftsführer eines in Not geratenen Unternehmens, dass nicht nur die Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO, sondern zumindest auch die sich daran anschließende Haftungsnorm nach § 64 GmbHG ausgesetzt wird. So läuft er nicht Gefahr, mit zum Teil erheblichen Schadensersatzansprüchen konfrontiert zu werden.

Als langjähriger Rechtsanwalt in Verschuldens- und Insolvenzfragen stehe ich Ihnen gerne jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Anruf oder Mail genügt!